Der verlorene Sohn

„Mehr als ein übliches Dorftheater“

Evangelische Kirche: Pfarrer Wolfram Seeger und seine neun Laienspieler führen den „Verlorenen Sohn“ in Roßdorf auf

ROSSDORF. 

Dramatik beim Sommertheater der evangelischen Kirche in Roßdorf. Beim „Verlorenen Sohn“ ging es hoch her.

Das Wetter hat diesmal nicht mitgespielt. Im dritten Jahr des Openair-Sommertheaters der Evangelischen Kirche Roßdorf mussten die Vorstellungen ins Elisabeth-Haus verlegt werden. Doch auch hier hat das „A+O-Theater“-Team Atmosphäre schaffen können. Winzerflair wie in dem Theaterstück „Der verlorene Sohn“ herrschte auch in den Kellerräumen des Elisabeth-Hauses, wo die jeweils 100 Besucher am Samstag- und Sonntagabend in der Pause Wein trinken und Häppchen essen konnten. Die neun Laiendarsteller, angeleitet von Pfarrer Wolfram Seeger, interpretierten das neutestamentarische Gleichnis vom verlorenen Sohn. Seeger hat das Stück mit seinem Team entwickelt und den Text geschrieben – nach „König David“ und „Shakespeares greatest hits“ das dritte Sommertheater-Stück.

Das „A+O-Theater“ besteht seit sechs Jahren und studiert zudem Anspiele für die „Go-Special“-Gottesdienste und andere Gemeindeveranstaltungen ein. Mit seinem ökumenischen Team vertritt Seeger, der sich vor drei Jahren in einem Studienurlaub mit Theaterarbeit befasste, den Anspruch, „mehr als ein übliches Dorftheater zu sein“. Den Unterschied mache der Stoff, den die Bibel bietet. „Wir wollen die biblische Botschaft in die heutige Zeit übersetzen“, sagt Seeger, „das ist für mich auch ein Stück Verkündigung.“

Es sei ein Trend in der Kirche, nicht nur zu erzählen, sondern stärker zu veranschaulichen. Dabei wolle er Unterhaltung und Tiefe bieten. Bei Shakespeare habe er sich abgeschaut, Lebenslust etwa beim Essen und Trinken mit dem Durchleben von menschlichen Höhen und Tiefen zu verbinden.

Das Stück „Der verlorene Sohn“ dreht sich um Beziehungen zwischen Menschen und zu Gott. Der Winzersohn Jakob (Lukas Stühn) will in dem Drama aus dem Schatten seines Bruders Esau (Christel Göttsching) im väterlichen Weinbaubetrieb heraustreten und sich selbst verwirklichen.

Unterstützt wird das Vorhaben im Hintergrund vom Teufel (Silvia Offermann-Metz), der sich junge Menschen auf dem Ego-Trip sucht. Die Figuren Jakob und Esau stammen aus dem Alten Testament, was zunächst verwirrt, geht es doch um ein Gleichnis von Jesus. Die Namen hat Seeger gewählt, weil die Söhne Isaaks einen ähnlichen Konflikt haben. Jakob lässt sich sein Erbteil auszahlen und investiert es in ein riskantes Projekt: Ferienparks in Asien. Auf der weiß-blau gehaltenen Bühne wird eine Stoffkulisse mit der Frankfurter Skyline hochgezogen.

Jakob hat nur noch Sinn fürs Geschäft, vernachlässigt seine Freundin Ella (Julia Rodenhäuser) und seinen besten Freund, den großmäuligen, aber auch großherzigen Benno (Alexander Göttsching). Das Geld reicht nicht, die Geschäftspartner lassen Jakob fallen und sogar mit Schlägertrupps verfolgen.

Benno will ihm helfen und wird dabei zum Opfer. Reumütig kehrt Jakob zu seinem Vater zurück, der ihn freudig aufnimmt. Sein Betrieb ist durch den Fortgang Jakobs inzwischen Konkurs gegangen. Ein Arbeiter (Wolfram Seeger) klärt den zurück gekehrten Jakob darüber auf. Der Vater, der Gott symbolisieren soll, triumphiert über den Teufel mit dem Geheimnis, dass Jakob von ihm seit jeher geliebt worden sei. Doch das Wissen darum, ein Zuhause zu haben, ist Jakob Trost genug, er geht.

Anders als in der Bibel endet das Stück bewusst offen. Während der erste Akt streckenweise textlastig und statisch erschien, steigerte sich das Tempo im zweiten Akt rasant. Jakobs verzweifelte Suche nach Schutz bei seinem Freund Benno und dessen Sterben bildete die dramatischste Szene im Stück.